Vom Bader zum Podologen – wie die Fußpflege zum medizinischen Fachberuf wurde
Handwerk am Fuß
Die Geschichte der Fußpflege lässt sich gut 3.500 Jahre bis ins alte Ägypten zurückverfolgen. Schon im Papyrus Ebers – der wichtigsten überlieferten Buchrolle zur Heilkunde Ägyptens – wird von Fußleiden und ihrer Behandlung berichtet. Als „Stammvater“ der fußpflegerischen Arbeit gilt der Bader, der als berufliches Multitalent des Mittelalters bezeichnet werden kann: Rasieren, Haare schneiden, aber auch Zähne ziehen und Hühneraugen entfernen gehörten zu seinen Aufgaben. Obwohl der Bader einen erheblichen Beitrag zur allgemeinen Hygiene leistete, gab es auch viele Quacksalber, die den Berufsstand in ein schlechtes Licht rückten.
Eine Blütezeit erreichte die Fußpflege im 18. Jahrhundert in England und Frankreich. Wer bei Hofe etwas auf sich hielt, der bestellte regelmäßig den „chiropodist“ oder „pédicure“ ein. Hier entstanden auch die ersten Fachbücher speziell zum Thema Fußpflege.
Im Zuge der Industrialisierung wurde 1897 das Handwerkerschutzgesetz in Deutschland erlassen. Damit wurde den Handwerkskammern die Regelung der Ausbildung übertragen. Der Beruf des Fußpflegers wurde als Handwerk gemäß der Reichshandwerkerordnung den Friseuren zugeordnet. Eine besondere Berufs- oder Ausbildungsordnung gab es damals nicht. Der Beitritt zur Innung der Friseure reichte aus. In dieser Zeit etablierten sich auch die ersten professionellen Fußpflegepraxen.
Pionierarbeit im Nordschwarzwald
Hellmut Ruck senior gilt mit Recht als ein Pionier der Fußpflege in Deutschland. Bereits 1927 gründete er in Pforzheim den Verband deutscher Fußspezialisten und war Herausgeber der ersten Fachzeitschrift für Fußpflege, den „Fußpflegenachrichten“. Seine Spezialschule für Fußpflege in Pforzheim wurde schon bald zum Maßstab für eine professionelle Ausbildung.
Auch nach dem verheerenden Luftangriff auf Pforzheim im Februar 1945, bei dem Praxis und Firma vollständig zerstört wurden, war sein Engagement ungebrochen. So wagte er 1951 nicht nur den Neuaufbau der Firma, sondern setzte auch eine Halbjahresausbildung an seiner neuen Fachschule für Fußpfleger um. Er war ein Verfechter der medizinischen Ausrichtung des Berufs. Die Einordnung der Fußpflege als Handwerk wurde mit dem Anfang der 1950er Jahre verfassten Gutachten des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts und der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft endgültig beendet.
Die nach dem Krieg entstandenen Interessenvertretungen und Berufsverbände schlossen sich 1955 zum großen Zentralverband der Fußpfleger Deutschlands (ZFD) zusammen. Mit vereinten Kräften sollte das Berufsbild der Fußpflege vorangebracht werden. Erklärtes Ziel war vor allen Dingen die Anerkennung als eigenständiger medizinischer Fachberuf, aber auch die Einführung einer geregelten Ausbildung.
1976 kam es zu einem Sachverständigengespräch im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Dabei wurden die Grundpfeiler für eine Weiterentwicklung des Berufsbildes gelegt. Unter anderem wurde definiert, dass der Beruf des Fußpflegers für die Versorgung der Bevölkerung unentbehrlich ist und es sich bei der medizinischen Fußpflege um einen nichtärztlichen Heilberuf handelt. Außerdem wurde festgelegt, dass die Ausbildungszeit zwei Jahre nicht unterschreiten soll.
Nachdem der Bundesgesundheitsrat 1978 die Eigenständigkeit der Ausbildung zum medizinischen Fußpfleger nochmal bestätigte, wurden die Länder aufgefordert Vorschriften für Ausbildung und Prüfung zu erlassen. Als erstes Bundesland setzte Niedersachsen durch Erlass des damaligen Sozialministeriums im Jahr 1983 diese Aufforderung um. In Braunschweig entstand daraufhin die erste Berufsfachschule für medizinische Fußpflege.
Das Podologengesetz – einheitliche Regelung von Beruf und Ausbildung
Schon damals existierte ein Entwurf zum Podologengesetz und es zeigte sich, dass die Mehrzahl der Länder eine solche bundeseinheitliche Regelung unterstützte. Auch bei der Hellmut Ruck GmbH gab es Pläne zu einer geregelten Ausbildung nach diesem Entwurf.
Der ehemalige Vertriebsleiter der Hellmut Ruck GmbH, Georg Birkner, erinnert sich: „Keine halben Sachen machen – die Richtung für eine Neugestaltung der fußpflegerischen Ausbildung war bei RUCK klar definiert. Für die zuständigen Ministerien in Baden-Württemberg war der Begriff „Podologie“ damals noch absolutes Neuland. Bei mehreren Gesprächen im Sozialministerium haben wir versucht zu erklären, was das neue Berufsbild ausmacht. Lehrpläne, Schuleinrichtung, Personalsuche – das Schulprojekt in Neuenbürg war eine arbeitsintensive Phase der Firmenentwicklung und eine Pionierleistung für den Podologenberuf.“
1998 begann an der neugegründeten Schule für Podologie in Neuenbürg die erste Schulklasse ihre 2-jährige Vollzeitausbildung. Das Curriculum für den neu zu regelnden Ausbildungsberuf war gemeinsam mit der Diplom-Medizinpädagogin und Neuenbürger Schulleiterin Renate Schmidt ausgearbeitet worden.
Im Jahr 2000 verabschiedete das Bundeskabinett schließlich den Entwurf des Podologengesetzes (PodG). Das Gesetz und die damit verbundene Ausbildungs- und Prüfungsverordnung traten 2002 in Kraft und schoben den bis dahin üblichen ungeregelten Ausbildungsformen zum medizinischen Fußpfleger einen Riegel vor. Das Podologengesetz ist vor allem ein Titelschutz-Gesetz, das die Berufsbezeichnungen „Podologe“ sowie „medizinischer Fußpfleger“ schützt und unmittelbar mit der 2-jährigen Ausbildung und einer staatlichen Prüfung verknüpft.
Ein neuer Gesundheitsfachberuf war entstanden.
Wohin geht die Reise?
Heute, fast 20 Jahre später, hat sich der Podologe als medizinischer Fachberuf etabliert. Als Heilmittelerbringer darf er seine Therapieleistungen mit den Krankenkassen abrechnen. Die hohe Relevanz des Berufs für das Gesundheitswesen wurde durch die Einordnung als „systemrelevant“ während der Corona-Pandemie klar bestätigt.
Doch immer noch fehlt es in vielen Bereichen an inhaltlicher Klarheit und Eindeutigkeit. Akademisierung oder drei Jahre Ausbildung? Regelung der Schuldgeldfreiheit – bundeseinheitlich oder Ländersache? Hier bietet sich mit der ausstehenden Erneuerung des Podologengesetzes eine Möglichkeit die noch offenen Fragen zu klären und gleichzeitig dem Podologen mehr Handlungsfreiheit zu ermöglichen.
Nicht verpassen!
Mehr zu den aktuellen Entwicklungen und den zentralen Zukunftsthemen für den Beruf des Podologen lesen Sie in der kommenden Ausgabe der RUCK NEWS, die im August erscheinen wird.